Die Ausgrabungen am Schneiderberg 1901
Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Interesse
der Menschen an prähistorischen Forschungsergebnissen stieg,
fanden sich auch in Bernburg und Umgebung interessierte und
engagierte Bürger im Bernburger Altertumsverein zusammen.
Dieser Verein war es, der sich an der Ausgrabung verschiedener
Grabhügel im Gebiet heran wagte. 1901 hatte man sich entschlossen,
den Baalberger Schneiderberg, der seit der Separation vom Oeconom
Gottfried Hahndorf an die Gemeinde übergeben worden war, zu erforschen.
Leiter der Ausgrabung war der Vereinsvorsitzende Kommissionsrat Kälber.
Die Aufsicht führte der Bautechniker Grünwald. Als Glücksgriff sollte
sich erweisen, dass Kälber den Wernigeröder Professor Paul Höfer für
die Betreuung der Grabungsfunde gewinnen konnte. Ihm und seinem Talent
zur exakten wissenschaftlichen Arbeit verdanken wir die korrekten
wissenschaftlichen Aufzeichnungen, Auswertungen und die ersten
Publikationen zu den Grabungsergebnissen. Allerdings konnte der
Schneiderberg nicht, wie ursprünglich geplant, schichtweise abgetragen
werden, da sich auf dem Berg ein trigonometrischer Punkt befindet,
der nicht angetastet werden durfte.
Als Alternative wich man auf verschiedene Suchschnitte aus, die
den Hügel durchzogen.Es zeigte sich, dass der Hügel in verschiedenen
ur- und frühgeschichtlichen Zeiten als Begräbnisplatz gedient hatte.
Schnell waren mehrere Gräber aus der Bronze- und der Jungsteinzeit
unter der Hügelkuppe freigelegt worden. Als besonders spektakulär
erwies sich das Auffinden einer zweiteiligen Grabkammer, erbaut
aus Sandsteinen und abgedeckt durch einen mächtigen ca. 2,50 Meter
langen Sandsteinblock, unter dem Osthang. Diesen Stein erhielt die
Gemeinde Baalberge zugesprochen. Man gestaltete daraus ein Denkmal
auf dem Platz vor der Kirche, auf dem Bildnisse von Moltke, Bismarck
und Kaiser Wilhelm zu sehen waren.
Schnitt durch den Schneiderberg
mit Grabungsmannschaft
Diesem Umstand ist es wohl zu verdanken, dass der Stein samt Anlage
1951 entfernt, dabei angeblich zerbrochen wurde und nun
unwiederbringlich verschwunden ist. Den bedeutendsten Fund machte
man jedoch im Zentrum des Berges in einem weiteren Großsteingrab
auf der Erdsohle stehend.
Denkmal an der Kirche
Wegen des Vermessungspunktes, der sich genau darüber befand, konnte
man nur mit Schmiedehämmern ein Stück der mächtigen Deckplatte
einschlagen, um in das Innere der Grabkammer zu gelangen. Man fand
dort neben Skelettresten zwei keramische Gefäße, die von den
Grabungsarbeitern wenig ehrfurchtsvoll als Kaffekanne und
Milchtopf bezeichnet wurden. Unter dem Westhang, deutlich
oberhalb des Zentralgrabes, fand man eine weitere Steinkiste mit
Gefäßen der Schnurkeramik. Diese galten zur damaligen Zeit als
die älteste jungsteinzeitliche Gefäßform.
Baalberger Kanne und Tasse
Aus der Tatsache der Lage der beiden Fundstellen zueinander,
leitete Prof. Höfer ab, dass die Kanne und die Tasse im Zentralgrab
einer älteren keramischen Leitform zuzuordnen wären. Er ordnete sie
der Bernburger Kultur zu und irrte an dieser Stelle.
Lage der Großgräber
im Schneiderberg
Erst Jahre später, als weitere ähnliche Gefäße bei anderen Grabungen
geborgen wurden, erkannte man, dass sie sich deutlich von der Keramik
der Bernburger Kultur unterscheiden. Sie wurden zu einer eigenen
Leitform, zur Baalberger Kultur im Mitteldeutschen Raum.
In fachwissenschaftlichen Kreisen ist diese Kultur zu einem festen
Begriff für einen frühen Abschnitt der mittleren Steinzeit, vor
ca. 5.000 Jahren, geworden.
Der Schneiderberg heute
E-Mail: chronik@baalberge.de